Trans*normal, so hieß der Vortrag der am letzten Freitag im Vereinsheim des WSVG09 am Drilandsee in Gronau durchgeführt wurde. Die Referentin Judith Weichert ist Vereinsmitglied und studiert im letzten Semester „Sozialen Arbeit“ an der Saxion Universität of Applied Science in Enschede. Sie selbst ist im familiären Umfeld in Kontakt mit dieser Thematik gekommen und hat dies zum Anlass genommen ihre Forschung dieser Thematik zu widmen und dazu eine Bachelorarbeit zu verfassen. Zu ihrem Vortrag lud sie interessierte Vereinsmitglieder mit dem Ziel, Wissen zu Transidentität zu vermitteln, Fähigkeiten im Umgang miteinander zu fördern und eine offene Haltung zu transidenten Menschen zu entwickeln.
In der Wassersportabteilung von Vorwärts Gronau haben sich vor drei Jahren zwei Mitglieder als Transident geoutet. Anderes als in vielen anderen Lebensbereichen stießen sie nicht auf Ablehnung und Unverständnis. Direkt überlegte die Abteilung, was man tun könne, um auch die Bedürfnisse dieser jungen Menschen innerhalb des Vereins zu berücksichtigen und allen einen sogenannten Safe-Space zu schaffen. Dennoch, es gibt viele Fettnäpfchen in die auch beiden Seiten gerne mal reintreten. Judith Weichert bestätigte, dass dies selbst im engsten familiären Umfeld nicht selten vorkommt.
Das Interesse für den Workshop war groß, so war es keine Überraschung, dass alle Plätze ausgebucht waren. Am Anfang der Workshops wurden erstmal Vokabeln gelernt. LGBTQ*, Trans*, Binär, Passing, Cis sind nur einige der Begriffe des Queer-Alphabetes. Der gut strukturierte und sehr informative Vortrag wurde begleitet von interessierten Fragen der Teilnehmenden und die Referentin regte immer wieder zu Diskussionen an. Besonders die teilweise emotionalen Wortbeiträge der transidenten Anwesenden, bot den übrigen Teilnehmer*innen tiefe Einblicke deren Gefühlsleben. Sie berichteten über Irritationen im Kindesalter, die belastende Zeit des Outings bis hin zu Anfeindungen und Stigmatisierung in der Gesellschaft. Das hat den Blickwinkel der Teilnehmenden deutlich verändert.
Knapp über 50% der Transmännern haben suizidale Absichten. Das verdeutlicht, wie groß der Leidensdruck sein kann, wenn ein Mensch aufgrund von mangelnder Unterstützung oder Perspektivlosigkeit keinen anderen Lösungsweg sieht. Eins wurde ganz klar, es handelt sich bei einer Transidentität nicht um eine Phase oder Modeerscheinung. Transidente Menschen leben oft seit ihrer frühesten Kindheit bis hin zu ihrem sozialen Outing mit einem tiefen inneren Gefühl der Zerrissenheit. Das ist nichts was sich einfach abstellen oder ändern lässt. Dieses Gefühl geht niemals weg und oft haben Betroffene erst Jahre später Antworten auf das Gefühl des „anders seins“.
Niemand kann nachvollziehen, wie sich das anfühlt, es lässt sich auch ganz sicher nicht „beweisen“ Familienangehörige und Freunde wünschen sich oft Beweise, damit sie es wirklich glauben können. Judith Weichert konnte aus ihrer Praxiserfahrung, Forschungsarbeit und Gesprächen mit transidenten Menschen viele erschreckende Beispiele von sozialer Ausgrenzung, Arbeitsplatzverlust bis hin zum Kontaktabbruch seitens Familien und Freunden berichten. Sie fragt sich oft, warum diese Menschen auf so viel Ablehnung stoßen „Die haben doch immer noch das gleiche Herz und die gleiche Seele“, machte die Referentin deutlich.
Der dreistündige Vortrag war kurzweilig und informativ. Man merkte, dass Judith Weichert noch vieles zu sagen hatte und eine hohe Expertise auf diesem Gebiet aufweisen kann. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzen daher auch nach dem Vortrag die Gelegenheiten die Diskussionen weiterzuführen und Fragen an die Betroffenen zu stellen.
Insgesamt war das eine tolle Veranstaltung, die sich nicht aufdrängte, sondern sachlich informierte und für Verständnis und Gleichbehandlung warb. Eine klare Empfehlung auch für andere Vereine und interessierte Einrichtungen. Wer sich für das Thema und den Vortrag von Judith Weichert interessiert, erhält die Kontaktdaten unter info@segeln-gronau.de